Hadumod Bußmann : "Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet" - Die ungewöhnliche Geschichte der Therese Prinzessin von Bayern
Eine unerschrockene Prinzessin
Das Leben der Naturforscherin Therese von Bayern
Im Juli dieses Jahres [2013] wurde der 80. Geburtstag des Chefs des Hauses Wittelsbach, Herzog Franz von Bayern, gefeiert. Aus diesem Anlass wurde immer wieder anhand der Stammlinie der Wittelsbacher aufgezeigt, dass er, Urenkel des letzten bayerischen Königs Ludwig III., heute selbst König von Bayern wäre, gäbe es hierzulande noch die Monarchie.
Viele schillernde Persönlichkeiten hat das Haus Wittelsbach hervorgebracht. Beachtet und in der Bevölkerung bekannt sind zumeist nur die männlichen Mitglieder. Eine ganz besondere Frau war Therese von Bayern, Schwester von Ludwig III. und neben drei Söhnen die einzige Tochter von Prinzregent Luitpold. Unter dem Titel „Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet“ ist 2011 eine Biografie dieser ungewöhnlichen Prinzessin erschienen.
Nachgezeichnet wird darin ein höchst unkonventionelles Leben. Therese schickte sich nämlich nicht in das ihr vorgezeichnete Schicksal, ihre Tage ausschließlich repräsentativen und ehrenamtlichen Pflichten zu widmen, sondern brachte es fertig, ihre unermüdliche Neugier, ihren unersättlichen Wissensdurst und ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften in eine veritable Wissenschaftlerinnen-Karriere zu gießen, die sie fernab der üblichen akademischen Pfade verfolgte, die Frauen zu jener Zeit ohnehin versperrt waren.
Schon ihren Wunsch, im häuslichen Privatunterricht neben den für Mädchen vorgesehenen Fächern wie Sprachen und Literatur auch noch Mathematik betreiben zu dürfen, stieß auf Widerstände. Thereses Mutter förderte zwar die Wissbegierde ihrer Tochter nach Kräften, aber sie starb, als das Mädchen dreizehn Jahre alt war und legte Therese in ihrem Testament ans Herz, ihre Rolle als alleinige weibliche Repräsentantin an der Seite ihres Vaters zu übernehmen. Eine schwere Bürde, der Therese aber treu und pflichtbewusst nachkam, bis zum Tod des Vaters viele Jahre später.
Einen einzigen Vorteil zog Therese aus ihrer aristokratischen Stellung: Vater Luitpold versammelte jeden Mittag nach Möglichkeit Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft an seiner „Tafelrunde“ und Therese, die als „Frau des Hauses“ selbstverständlich mit dabei war, beschränkte sich keineswegs darauf, adrett auszusehen und gepflegte Konversation zu betreiben, sondern sie stellte Fragen, drang auf Antworten, bohrte nach, nutzte ihre Kontakte. Mit großer Beharrlichkeit verschaffte sie sich die Informationsquellen, die sie brauchte, um ihren Wissensdurst zu stillen. Sie wurde in aller Stille Privatgelehrte in Sachen Naturwissenschaften. Und quasi nebenbei lernte sie die Sprachen all der Länder, die sie später dann bereiste. Am Ende waren es nicht weniger als elf Fremdsprachen!
Die höfische Etikette untersagte ihr eigentlich das Reisen zu Forschungszwecken, aber auch auf diesem Gebiet schaffte es Therese, ihren Willen durchzusetzen. Kürzere Reisen und monatelange Expeditionen führten sie nach Europa, Russland, Nordafrika sowie in die Neue Welt, nach Nord- und Südamerika. Von dort brachte sie nicht nur naturwissenschaftliche Erkenntnisse und umfangreiches Sammlungsmaterial zurück (bis heute ein wichtiger Grundstock der Münchener naturkundlichen Museen), sondern sie goss ihre Erfahrungen auch in ein beeindruckendes schriftstellerisches Werk. Am Ende ihres Lebens war Therese mit wissenschaftlichen Ehrungen überhäuft.
Parallel zu diesem Forscherinnen-Dasein führte die Prinzessin aber auch ein Leben am bayerischen Königshof mit allen verwandtschaftlichen Banden und gesellschaftlichen Verpflichtungen, die das mit sich brachte. Zu ihrem Vetter Ludwig (dem späteren „Märchenkönig“) hatte sie seit Kindertagen ein enges Verhältnis, mit dessen jüngerem Bruder Otto aber verband sie eine heimliche Liebe. Eine Liebe, die niemals öffentlich wurde, weil Otto aufgrund seiner psychischen Labilität – er galt im damaligen Sprachgebrauch als „schwermütig“ – schon als junger Mann aus der Öffentlichkeit verschwand und die letzten Jahre seines Lebens weitgehend isoliert in Schloss Fürstenried verbrachte, wo ihn Therese allerdings regelmäßig besuchte.
Es ist das Verdienst der Münchner Sprachwissenschaftlerin Hadumod Bußmann, diese ungewöhnliche Frau in einer spannend geschriebenen Biografie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht zu haben. Dabei stützt sich Bußmann vor allem auf Thereses eigene Schriften: nicht nur die akribischen Reisedokumentationen, sondern auch ihre Tagebücher aus über 50 Lebensjahren sowie ihr ungeniert offen geschriebenes „Biografisches Material“ (offenbar die Vorbereitung auf eine nicht mehr realisierte Autobiografie der Prinzessin).
Ein Buch über eine faszinierende Frau, das man/frau gebannt liest und quasi nebenbei Zeuge der letzten Jahrzehnte der bayerischen Monarchie wird.
Hadumod Bußmann: „Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet“. Die ungewöhnliche Geschichte der Therese Prinzessin von Bayern. 1850-1925. Verlag C.H. Beck, München 2011. 346 Seiten
Besprechung vom Dezember 2013