Sharon Creech : Der beste Hund der Welt

Ein Lieblingsbuch für die Ferienzeit
„Der beste Hund der Welt“ für Kinder und Erwachsene

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch ist kein packender Schmöker für die Urlaubszeit, mit dem man viele Tage verbringen kann. Es ist kein Roman, es ist im üblichen Sinne nicht einmal ein Buch für Erwachsene. Es ist aber auch kein typisches Kinderbuch, obwohl es in der Kinderbuchreihe „Fischer Schatzinsel“ erschienen ist. Es ist, so seltsam das klingen mag, ein Buch für Kinder mit Erwachsenen, oder auch umgekehrt, für Erwachsene mit Kindern.

Es geht in diesem Buch um einen Jungen, Jack, vielleicht irgendwo zwischen acht und elf Jahren alt, schwer zu sagen. Jack hat eine Lehrerin, Ms Stretchberry, die Jack und die anderen Kinder seiner Klasse unermüdlich mit Gedichten (moderner amerikanischer Lyrik) konfrontiert und sie gleichzeitig auch ermuntert, immer wieder eigene lyrische Versuche zu starten.

Nur sehr zögernd geht Jack darauf ein. („Hab’s probiert. Geht nicht. Kopf leer.“) Aber allmählich lässt er sich locken und verführen von den ganz unterschiedlichen Gedichtformen und Inhalten, wagt eigene Versuche – und entdeckt schließlich die Welt der Poesie, ihren Reichtum, und die Möglichkeit, mit Hilfe „geformter“ Sprache Gefühle auszudrücken. (Hier kommt dann auch „Der beste Hund der Welt“, der dem Buch den Titel gab, ins Spiel.) Als die Klasse auf Jacks Betreiben hin mit einem leibhaftigen Dichter in Kontakt kommt, ist der Gipfel des Glücks greifbar nahe.

All dies erfährt man nun nicht von außen und auch nicht „ordentlich“ erzählt, sondern quasi aus der Innensicht Jacks. Seine Gedanken, seine Interpretationen, seine Reaktionen auf die Ansprüche der Lehrerin: nur der „Jack-Aspekt“ dieser langsamen Entwicklung, die sich fast über ein ganzes Schuljahr hinzieht, wird mitgeteilt. Dabei geht es auch um formale Fragen des Dichtens („Man muss nur kurze Zeilen machen.“) und durchaus auch um Äußerlichkeiten („Sieht gut aus, so schön getippt.“).

Wie in einem guten Gedicht, in dem kein überflüssiges Wort vorkommen darf, so steht auch in diesem Buch kein Wort, kein Satz zuviel. Eigentlich ist der ganze Text ein einziges Prosa-Gedicht. So wie Jack es nach kurzer Zeit schafft, instinktsicher den „Ton“ eines Gedichts nachzuahmen, so stringent wird auch der typische „Jack-Ton“ von der Autorin Sharon Creech bzw. der Übersetzerin Adelheid Zöfel durchgehalten. Dieser sind auch überaus gelungene Erst- bzw. Neuübersetzungen der amerikanischen Originalgedichte zu verdanken.

Die dritte im Bunde derer, die dieses kleine Meisterwerk geschaffen haben, ist Rotraut Susanne Berner, die das Buch kongenial illustriert hat, nämlich genauso sparsam und genauso einfühlsam, wie es der Text erfordert.

Die 92 großzügig bedruckten Seiten des Buches könnte ein/e Erwachsene/r in einer halben Stunde auslesen. Aber davon hätte man rein gar nichts. Wer auch nur ein bisschen Lust auf Lyrik, Lust auf Sprachspiele, Lust auf Experimente hat, sollte die Sache folgendermaßen angehen:

Man nehme sich einen ganzen (Ferien-)Tag lang Zeit, nehme ein Kind mit, am besten in Jacks Alter, und suche sich eine schöne Umgebung. Und dann lese man vor (vielleicht abwechselnd, die Gedichte auch öfter)! Stift und Papier sollte man unbedingt greifbar haben, denn die Anstiftung zum Selberdichten gilt nicht nur für Jack, sondern auch für große und kleine Rezipient:innen dieses Buches. Die eigenen Gedichtversuche kann man dann auch gleich noch illustrieren! Zwischendurch mal schwimmen gehen, Federball spielen oder Mittagsschlaf halten ist nicht nur erlaubt, sondern dem Genuss dieses Buches durchaus förderlich. Man kehrt von mal zu mal lieber in Jacks Welt zurück.

Ich habe mir das nicht ausgedacht, ich hab’s genau so ausprobiert! Es wurde einer der schönsten (und „nachhaltigsten“) Tage der letzten Sommerferien!

 

Sharon Creech: Der beste Hund der Welt. Aus dem Amerikanischen von Adelheid Zöfel. Mit Bildern von Rotraut Susanne Berner.
Fischer Taschenbuch Verlag (Fischer Schatzinsel) 2003. 92 Seiten.

Besprechung vom August 2005

Sabine Skudlik